Montag, 23. März 2020

Der einarmige Diener

Im Jahre 1915 war der Enthusiasmus, mit welchem man ein Jahr zuvor in den großen Krieg gezogen war, bereits einer gewissen Ernüchterung gewichen. Immer mehr Männer, die mit strahlenden Gesichtern, und kleinen Blumensträussen an den Gewehren, direkt an die Front marschiert waren, kamen nun als Invaliden aus dem Feld zurück - desillusioniert und ihrer Eigenständigkeit beraubt. Das industrialisierte Töten wurde auf den Schlachtfeldern des ersten Weltkrieges zunehmend der Perfektion zugeführt, und ließ ein Heer der Versehrten entstehen, welches die Gesellschaft sowohl wirtschaftlich als auch sozial zu fordern begann. "Ich habe gegen das weit verbreitete Vorurteil, dass der Einarmige nur als Portier, Aufseher etc. zu verwenden sei, seit Ausbruch des Krieges gekämpft", schrieb Geza Zichy, der aufgrund eines Jagdunfalls in Jugendjahren selbst einen Arm verloren hatte. Trotz dieser Beeinträchtigung wurde Zichy unter anderem von Franz Liszt zum Pianisten ausgebildet, und erarbeitete sich eine Karriere als Musiker und Komponist, der sechs Opern, sowie eine Vielzahl anderer Musikstücke entsprangen. Kriegsversehrten sollte auf diese Weise ein Vorbild gegeben, und Hoffnung gespendet werden.
Als die Zahl der Verwundeten im Laufe des Krieges unaufhaltsam anwuchs, ließ Zichy seine Erfahrungen und Techniken in die Ausbildung dieser Menschen verstärkt einfließen.
Die Bildserie "Der einarmige Diener" zeigt das Bestreben, Kriegsinvaliden wieder in die Gesellschaft einzugliedern, und beschreibt den drastischen Einfluss des Krieges auf den Einzelnen ebenso, wie auf eine ganze Gesellschaft.
Der Originaltext lautet:
"Bild 1: Er bürstet die Kleider, indem er dieselben auf den Tisch legt und durch den Druck seines Leibes festhält.
Bild 2: Der Diener serviert. Er trägt die Platte an einer breiten, starken Gurte, an deren beiden Enden Eisenhaken, sogenannte Karabiner befestigt sind. Diese Karabiner sind beiderseits in die Henkel der Platte eingehakt. Seine Hand ist frei, er öffnet und schließt die Türe.
Bild 3: Er reinigt die Schuhe mit Beihülfe eines Stockes, dessen unterer Teil in das Mittelstück des Stiefelholzes befestigt ist. Der obere Teil des Stockes endet in seiner Krücke. Durch das Anpressen des Oberarmes wird der Schuh gehalten.
Bild 4: Er kann auch bedienen, indem er die Platte auf die Kredenz stellt, die Karabiner aufklappt, und Schalen oder Schüsseln durch die Bewegung seiner Finger auf die flache Hand schiebt.
Bild 5: Er reinigt das Esszeug mit Beihilfe eines Schraubstockes."

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