Theresia Kandl - Die schönste Mörderin von Wien
Die Kandlkapelle |
Von
den meisten Verbrechern der guten alten Zeit hat sich kaum mehr
erhalten als ein Mythos, Geschichten, die von späteren Generationen
immer wieder auf- und umgeschrieben wurden. Im Fall der Theresia
Kandl ist das anders. Man kann durchaus sagen, dass nicht nur das
Kandlersche Verbrechen die Zeiten in diversen Überlieferungen
überdauerte, sondern auch die Kandlin selbst, ausgestellt in einem
großen Schaukasten, der immer noch in Wien existiert. Die schöne
Resi brachte es durch ihre Untat als erste Frau in Wien bis an den
Galgen, und bescherte den Wienern durch ihre Hinrichtung ein
Volksfest sondergleichen, welches mit “Galgenbier” und “Arme
Sünder Würstel” feucht - fröhlich begangen wurde.
Gerade
einmal dreiundzwanzig Jahre jung, zeigte die Resi durchaus
Lebensfreude, verbunden mit einer zunehmenden Antipathie gegen ihren,
um viele Jahre älteren Gatten Matthias, der von Spaß und Lebenslust
nichts wissen wollte. Später führte Therese das Unvermögen des
alten Kandl, Kinder in die Welt zu setzen, als einen der Gründe für
den Mord an, Geiz und vor allem die Rohheiten, welche der Kandl
seiner widerspenstigen Frau angedeihen ließ, sollten weitere
Ursachen gewesen sein.
“Auskhoiden
hob i´s nimma”, schluchzte die Theresia im Vernehmungszimmer, als
Gerichtskommissär Seißer nach unzähligen Verhören endlich ans
Ziel gekommen war. Immer wieder habe er sie geschlagen, beteuerte die
Theres, oft war er betrunken und bösartig. Da fasste sie im Winter
1808 den Entschluss. Es war der neunzehnte Dezember und der Kandl wie
so oft betrunken. Missmutig war er vom Einkaufen heim gekommen, hatte
seiner Frau lustlos noch ein paar Schläge angedroht und sich
schließlich schlafen gelegt. Als sie ihn wie gewohnt schnarchen
hörte, brachte die vor Wut bebende Therese die Axt aus dem Keller,
schlich ins eheliche Schlafgemach, und zertrümmerte ihrem Mann den
Schädel. Zugeschlagen habe sie mehrmals, gab die Theresia an,
richtig in Rage sei sie gekommen.
Diese
“Rage” deckte sich durchaus mit der Leichenbeschau durch den
Wundarzt, welcher “nicht
weniger als zehn teils tödliche, teils mindere Wunden”
feststellte.
Doch als das Werk vollbracht, der Rausch abgeklungen war, da bekam
sie es mit der Angst. Wie den Körper verschwinden lassen, wie alles
vertuschen? Tatsächlich hatte der alte Seißer seine Zweifel an der
Geschichte, denn die am hohen Markt eingegangene Meldung besagte,
“daß
in der Piaristengasse an der Mauer beym Tempel eine Mannsperson
erschlagen und der Kleydung beraubt worden seye..”
Im
heutigen Wien ist besagte Gasse Teil des achten Wiener
Gemeindebezirkes, Theresia aber wohnte am Hungelgrund Nummer 9, zum
Salzküffel. Solch klingende Adressen existieren in Wien heute kaum
noch, allerdings lässt sich feststellen, dass Familie Kandl in
Matzleinsdorf gelebt hat, einige Kilometer vom Fundort der Leiche
entfernt.
“Wer
also hat dir geholfen, Theres”, fragte der Kommissär forsch. Die
Kandlin aber schwieg eisern. Dass man überhaupt auf sie gekommen
war, hatte sie dem Bäckermeister Josef Werner aus Heiligenstadt zu
verdanken, der zwar nicht unmittelbar mit den Eheleuten bekannt war,
doch geschäftliche Kontakte zum Kaufmann Kandl unterhielt, und von
der Therese nichts Gutes zu berichten wusste. So habe er auf dem Gang
noch vor der Einvernahme gehört, dass Theresia gleich nach dem Tod
ihres Mannes dessen Pfeife an ihren Bruder verschenkt habe. Was
Seißer und die anderen Magistratspersonen allerdings mehr
interessierte, war das Gerücht, die Kandlin würde es mit einem
Fleischer aus Mauer halten.
Glaubt
man den Protokollen, war Therese Kandl eine überaus attraktive
Person: “Von
schlanker Leibesstatur hat sie ein langliches, sauberes Gesicht,
schöne Nase, blaue Augen und blonde, rückwärts in einen Chignon
geschlungene Haare.”
In
einer weitere Passage heißt es: “..trägt
am Leibe ein blaulicht mit weißen Tupfen versehenes Korsett, einen
rot, mit weißen Tupfen versehenen kotonenen Rock, ein leinenes,
geblümtes sowie ein blau - mußlinenes Tüchel um den Hals, weiße
Strümpfe und schwarze, lederne Schuhe.”
Das
Wesen der Frau wird als sanftmütig beschrieben, stets um Contenance
bemüht - zumindest solange bis der Name Michel Pellmann fiel.
“Was
war mit dem Fleischhauer”, fragte Seißer, der mittlerweile
Recherchen hatte anstellen lassen .
Therese,
die bisher als Duldnerin aufgetreten war und des Schicksals schwere
Schläge tapfer zu ertragen schien, wurde unruhig. Zweifellos hatte
der Kommissär die Veränderung an Theresia bemerkt, und beschloss,
die Katze aus dem Sack zu lassen:
“Das
Kind ist doch vom Pellmann”, sagte er. “Gib zu deine Schand!”
Laut
den Gerichtsakten begann die Kandlin zu toben und verhielt sich ihrem
Gegenüber dermaßen respektlos, dass sie von einem Polizeidiener
gewaltsam entfernt werden musste. Theresia verbrachte ihre erste
Nacht im Gefängnis, am nächsten Tag wurde das Verhör fortgesetzt.
Tatsächlich hatte die junge Frau noch vor der Hochzeit mit dem alten
Kandl ein uneheliches Kind zur Welt gebracht, dessen Vater nicht
eruiert werden konnte. Das Kind verstarb bereits Wochen nach der
Geburt, die Schande aber blieb an Theresia haften. Eine Hochzeit
sollte die Gefallene wieder rein waschen. In den kommenden Verhören
belastete Therese den Michel schwer, er habe die Tat geplant und
ausgeführt, sie sei nur Mitwisserin gewesen. Ihn zu befragen
gestaltete sich indes als schwierig, denn Pellmann war zum Militär
gegangen und seine Stationierung im Kriegsjahr 1809 nicht leicht
auszumachen. Endlich aber konnte er nach seiner Rückkehr in Mauer
vernommen werden und ein sicheres Alibi angeben. Mehr, als dass er
mit der Resi vor und nach der Eheschließung sündig umgegangen wäre,
konnte man ihm nicht nachweisen.
“Der
Pellmann war´s nicht”, sagte Seißer erbost, “also wer hat dir
geholfen?”
Diese
Frage blieb ungelöst. Allerdings legte Theresia ein umfangreiches
Geständnis ab, konnte genaue Angaben zum Tathergang machen, und im
Zuge einer Hausdurchsuchung wurde auch das Tatwerkzeug gefunden,
welches noch heute im Kriminalmuseum bestaunt werden kann. Mehr als
ein paar Blutspritzer im Schlafzimmer und ein blutverschmierter Anzug
waren von dem Ehegatten nicht geblieben.
Das Skelett der Theresia Kandl |
Den
hatte die Therese übrigens in einer stürmischen Winternacht quer
durch Wien geschleppt, in einer großen Butte, die sie auf dem Rücken
trug. Ein klein wenig Ironie mag jene gruselige Nacht in Form eines
freundlichen Polizisten erhellt haben, der durch Zufall Theresias Weg
kreuzte, und bemerkte, an welch schwerer Last die schöne Wienerin
trug. Höflich machte er der jungen Frau seine Aufwartung, und
rückte die Butte auf ihrem Rücken wieder zurecht, ohne einen Blick
hineingetan zu haben.
In
der Piaristengasse aber war Schluss. Einen gut durchdachten Plan zur
Beseitigung der sterblichen Überreste hatte die erschöpfte Theresia
ohnehin niemals verfolgt, sie ließ den alten Kandl hinter einer
Hausecke schlicht in den Schnee gleiten, vergewisserte sich,
unentdeckt geblieben zu sein, und eilte rasch davon.
“Die
Theresia Kandl soll wegen Meuchelmordes nach Vorschrift des Paragraph
119 des Gesetzes über Verbrechen mit dem Tode bestraft und diese
Strafe gemäß des Paragraphen 10 ebensaselbst an ihr mit dem Strange
vollzogen werden.”
Am
3. März 1809 wurde das Urteil vom Appellationsgericht bestätigt.
Dem Tode zuvor kam aber noch die Schande. Am 13 März stand Theresia
am Pranger, wurde am Hohen Markt ausgestellt, bespuckt, beschimpft,
begafft. Man gab sie dem Mob preis.
“Gantz
Wien war auf den Beynen”,
notiert
Anton Ferdinand von Geusau in seinem “Historischen Tagebuche” von
1809: “Da
man in Wien noch keine Weibsperson hatte hängen sehen, war der
Zulauf des Volkes unbeschreiblich!”.
Zum
Ablauf der Exekution existieren mehrere Beschreibungen. Als gesichert
kann gelten, dass die Hinrichtung unter ungewöhnlich großen
Sicherheitsvorkehrungen durchgeführt wurde.
Dreihundertzweiunddreißig Mann Kavallerie und Infanterie wurden am
16. März aufgeboten um für Ordnung zu sorgen, bei der berüchtigten
“Spinnerin am Kreuz”. Schon in den frühen Morgenstunden war der
offene Malefiz - Wagen am Hohen Markt abgefahren, rumpelte durch die
engen Gassen der Stadt, ließ Häuser und Plätze endlich hinter
sich, um gegen 10 Uhr sein Ziel zu erreichen. Gespannt wartete
man auf die schöne Mörderin mit den “kaiserblauen” Augen, und
dem langen, blonden Haar. Schreckensbleich soll sie laut Protokoll
gewesen sein, aber aufrecht und gefasst. Bevor der “Freymann” ihr
die Schlinge um den zarten Hals legte, soll sie sich noch einmal
umgesehen haben. Letzte Worte gab es keine. Einem Gerücht zufolge,
welches die vom Tod seit jeher faszinierten Wiener dankbar
aufgriffen, habe sich der Pellmann Michel unter den Wachsoldaten
befunden, die der Hinrichtung beiwohnten. Ihn habe sie gesucht, wurde
noch Jahre später erzählt, selbst als die Schlinge sich schon
zuzog, wanderten die kaiserblauen Augen rastlos über die Menge.
Tatsächlich lässt sich die Anwesenheit oder auch nur der
Aufenthaltsort Pellmanns nicht eruieren. Wahrscheinlicher ist wohl,
dass Theresia ihrem Schicksal alleine gegenüber trat.
Eine
andere Version der Vorgänge rund um die “Spinnerin” zollt
der Delinquentin weit weniger Respekt. Chaotisch und schamlos soll es
zugegangen sein, Theresia selbst habe die Stimmung auf dem Weg zum
Galgen mit Ausrufen wie: “Jessas, mei Haub´n “ und “Sö,
mein Schuach verlier´ i! Hörn´S net?” noch zusätzlich
angeheizt, und dem johlenden Publikum so einen unvergesslichen Tag
beschert.
Bis
sechs Uhr abends hatte sie zu hängen, erst bei Einbruch der
Dunkelheit durfte man sie von rechts wegen abnehmen und am
“Selbstmörderfleck” ehrlos begraben. Es ist davon auszugehen,
dass das Fest der Schaulustigen am Richtplatz sehr viel länger
gedauert hat.
Das Wiener Kriminalmuseum |
Einen
letzten Gruß gab man der von Unglück geriebenen Familie Kandl mit
auf den Weg in die Ewigkeit. In Atzgersdorf wurde an der Ecke
Breitenfurterstrasse/Hödlgasse die Kandlkapelle errichtet. Heute
befindet sich das schmucke Bauwerk mit dreieckigen Grundriss auf der
Höhe des Campingplatzes Wien Süd (gegenüber Breitenfurterstrasse
198) und steht unter Denkmalschutz.
Ruhe
wurde der schönsten Mörderin Wiens dennoch nicht gegönnt.
Schon bald grub man Theresia heimlich wieder aus, und verkaufte die
sterblichen Überreste an einen Arzt, der ihr Skelett konservierte.
Damals wie heute gegen das Gesetz, in Zeiten der Phrenologie jedoch
nicht ungewöhnlich. Bemerkenswert erscheint vielmehr, dass das
Präparat bis ins Jahr 1924 in der Familie des Arztes nachweisbar
ist. Schließlich fand der Kasten seinen Weg in das Wiener
Kriminalmuseum. Dort teilte sich Theresia die Aufmerksamkeit der
Besucher mit dem Schädel jener Frau, die beinah ein Jahrhundert
später als nächste weibliche Gewalttäterin exekutiert werden
sollte: Juliana Hummel, der schweren Misshandlung und des Mordes an
ihrer eigenen Tochter Anna für schuldig befunden. Selbst der sonst
so milde Kaiser Franz Joseph verzichtete in diesem speziellen Fall
auf eine Umwandlung der Todesstrafe in Haft. Juliana Hummel beendete
ihr Leben allerdings hinter Gefängnismauern. Die Zeiten öffentliche
Hinrichtungen waren vorbei.
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