Dienstag, 3. März 2020

Der Postbotenmörder - Enrico Francesconi
E. Francesconi

„Mein Theurer! Es war doch ein glücklicher Gedanke, daß ich nach Wien gegangen. In Klagenfurt wäre ich zu Grunde gegangen, und hätte mich ganz ruiniert. In Wien sieht es nicht so schlecht aus, als man meint, es ist noch immer genug Geld da. (…) Ich glaube, ich werde hier mein Glück machen...“
Dieses Telegramm war von Enrico Francesconi im Herbst 1876 an einen Freund in Italien gesendet worden. Wenige Wochen später war Francesconi tot – hingerichtet im Wiener Landesgericht, nachdem sein Treiben die Akten der Protokollschreiber ebenso gefüllt hatte, wie die Sonderausgaben der Presse.
Als Alfonso Mendoza hatte Francesconi sich am Graben Nr. 31, im sogenannten Aziendahof, eingemietet, einen reichen Kaufmann gemimt, und einen ebenso einfachen wie dilettantischen Plan versucht in die Tat umzusetzen, um seinen finanziellen Nöten zu entkommen: Über Tage hinweg verschickte er aus unterschiedlichen Teilen der Stadt vermeintliche Geldbriefe an sich selbst, beobachtete die Geldbriefträger, ihr Verhalten, aber auch ihre körperliche Konstitution, und entwickelte eine Strategie. Tatsächlich waren die Geldbriefe leer, bestenfalls mit Papierschnipsel gefüllt, die er selbst am Vortag hineingestopft hatte. So aber lernte er die Beamten kennen, wusste, wann wer seinen Dienst tat.
Um die finanziellen Engpässe bis zur Ausführung der Tat möglichst überwinden zu können, widmete sich der attraktive Francesconi den Damen. Denn noch reichte der Mut nicht, noch konnte er sich nicht dazu überwinden, einen der Boten in seiner Wohnung zu überfallen, auszurauben und zu ermorden. Dafür machte er fleißig Schießübungen im eigenen Wohnzimmer, die von den anderen Parteien unbemerkt blieben. 
Johann Guga
Am 17. Oktober schließlich kam es zur Katastrophe. Der Geldbriefträger Johann Guga, ein integrer Mann von tadellosem Ruf, ließ sich im Gegensatz zu anderen Kollegen in Francesconis Wohnung locken. Guga war nicht mehr jung, von schmächtiger Statur, und offenbar gutgläubig. Im richtigen Moment trat Francesconi hinter ihn, zog seine Waffe, die er in der Tasche des Morgenmantels versteckt gehalten hatte, und schloss Guga in den Kopf. Der aber starb nicht, vielmehr kroch er stöhnend der Eingangstüre entgegen. Francesconi, griff nach einer seidenen Gardinenschnur, schlang sie Guga um den Hals, und zog zu. So fest, dass sie riss. Immer noch war der Geldbote am Leben, stöhnte und keuchte, versuchte zu schreien. Francesconi, der sich das alles leichter vorgestellt hatte, sauberer, ohne all das Blut, ohne all das Leid, verfiel in Panik. Er packte sein Dolchmesser, welches er ebenfalls einstecken hatte, und schnitt Guga die Kehle durch.
Dann raffte er all die echten Geldbriefe in der Tasche des Boten zusammen, und verließ fluchtartig die Wohnung. Noch auf der Flucht Richtung Italien wurde Enrico Francesconi mit beinah 14.000 Kronen Beute verhaftet. Zu viele Zeugen konnten sich an den jungen Mann aus Italien erinnern, zu viele Spuren waren auf seinem Weg in ein neues Leben zurückgeblieben.
Nicht zuletzt durch die Art der Hinrichtung erlangte der Fall Francesconi eine gewisse Popularität. Um Ausschreitungen früherer Tage zu verhindern, wurde Enrico Francesconi als erster Verurteilter nicht mehr öffentlich in Wien exekutiert.
Im April 1945 brannte der Azienda Hof als Folge der Kriegswirren vollständig aus, wodurch auch die letzten Spuren der Bluttat am Graben getilgt wurden. Ein unauffälliger Neubau hat seinen Platz eingenommen, direkt neben dem Aufgang der U-Bahn Station Stephansplatz gelegen.

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